«Die Output-Information einer solchen Kamera weist einen deutlich höheren Komplexitätsgrad auf, ermöglicht aber auch eine viel höhere Diversität und Selektivität hinsichtlich lösbarer Anwendungen.» Markus Burgstaller, CEO von Perception Park. (Bild: Perception Park) |
Hyperspectral Imaging schafft
neue Bildverarbeitungsmärkte
Hyperspectral Imaging schafft
neue Bildverarbeitungsmärkte
Die Industrielle Bildverarbeitung zählt zu den am stärksten wachsenden Branchen des europäischen Maschinenbaus. Ein Wachstumssegment stellt dabei die hyperspektrale Bildverarbeitung dar.
Die hyperspektrale Bildverarbeitung – auch als Hyperspectral Imaging (HSI) bekannt –, ist eine relativ jungen Disziplin und ihr wird für die Zukunft ein enormes Potential zugeschrieben. Den wesentlichen Unterschied zu traditionellen Vision-Systemen beschreibt Markus Burgstaller, CEO von Perception Park, so: «Hyperspektral Systeme bieten im Vergleich zu herkömmlichen Bildverarbeitungssystemen pro Objektpixel ein Spektrum anstelle eines Monochrom- oder Farbwertes.
Je nach Wellenlängenbereich und spektroskopischer Verarbeitung können damit hochpräzise Farbkoordinaten, chemische Materialeigenschaften, aber auch Schichtdickeninformationen aus den Spektraldaten abgeleitet werden. Die Output-Information einer solchen Kamera weist einen deutlich höheren Komplexitätsgrad auf, ermöglicht aber auch eine viel höhere Diversität und Selektivität hinsichtlich lösbarer Anwendungen.»
«Während herkömmliche RGB-Kameras lediglich die Farben Rot, Grün und Blau abbilden, erlauben hyperspektrale Kameras die Unterscheidung von mehr als hundert Farben», bestätigt Dr. Jan Makowski, Geschäftsführer der LuxFlux GmbH. «Durch eine solche hochgenaue Farbmessung können Stoffe auf ihre Eigenschaften untersucht und Chemie sichtbar gemacht werden.»
Vielfältige Einsatzfelder
Welche Anwendungsmöglichkeiten hinter dieser Methode stecken, deutet Tim Huylebrouck, Produktmanager bei Stemmer Imaging, an: «Vermeintlich gleich aussehende Objekte können – mit einer breitbandigen Beleuchtungsquelle angeregt – aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften völlig unterschiedliche Lichtspektren reflektieren. Diese lassen sich dann mit Hyperspektralsystemen voneinander unterscheiden. In dieser Form kann das keine andere Bildverarbeitungslösung.»
Dr. Georg Meissner, Managing Director von Specim, nennt eine beispielhafte Anwendung: «ZenRobotics ist ein weltweit führender Anbieter von robotergestützten Anlagen zur Mülltrennung. Da der Gebäudeschutt, der in solchen Anlagen sortiert wird, oft gefährliche Materialien wie z.B. Asbest enthält, besteht eine wichtige Anforderung darin, derartige Stoffe sicher und zuverlässig zu identifizieren. Daher vertraut ZenRobotics auf Hyperspektralkameras von Specim, die für diese Aufgabe die erforderliche Erkennungssicherheit, Empfindlichkeit und Geschwindigkeit aufweisen.»
Bild oben: Während im Realbild (links) Reis, Maden und Holzsplitter kaum zu unterscheiden sind, erlaubt Hyperspectral Imaging im mittleren Bild eine eindeutige Erkennung von Reis (grün), Maden (rot) und Holzsplittern (blau). Rechts: Möglichkeit der Software von Perception Park, Störstoffe sauber zu erkennen. (Bild: Perception Park)
Molekularen Eigenschaften aufzeigen, die man in einem HSI-Bild eindeutig erkennen kann
Auch Gion-Pitschen Gross, Produktmanager bei Allied Vision, sieht den Bereich Recycling und die Sortierung von Plastik als ein wichtiges Einsatzfeld für Hyperspektralsysteme an: «HSI ermöglicht dort eine automatische Trennung von Kunststoffteilen, zum Beispiel aus Polyethylen und Polypropylen, die sich anhand ihrer chemischen Zusammensetzung erkennen und trennen lassen. Zusätzlich zu einer vorhandenen Farbsortierung können Stoffe nach ihrer molekularen Beschaffenheit differenziert werden. Die Ergebnisqualität des Sortierprozesses wird somit deutlich erhöht.»
Die Inspektion von Lebensmitteln birgt laut Gross ebenfalls viel Potential für die HSI-Technologie: «Fleisch, Fett und Knochen weisen Unterschiede in ihren molekularen Eigenschaften auf, die man in einem HSI-Bild eindeutig erkennen kann. Dies gilt auch für andere Materialien, die im Realbild kaum Unterschiede aufweisen, wie etwa für die fast identisch erscheinenden Lebensmittel Zucker, Salz und Zitronensäure.»
Für Kameras im sichtbaren Spektralbereich ist es zudem schwierig, physische Veränderungen an Objekten zu erkennen. Dies spielt etwa im Lebensmittelbereich eine grosse Rolle, wenn Früchte oder Gemüse auf ihren Reifegrad oder einen möglichen Schimmelbefall untersucht werden sollen. Hier bieten HSI-Systeme geeignete Lösungsansätze, die Allied Vision unter anderem mit seinen Hyperspektralkameras der Goldeye-Serie adressiert.
Ermöglichen Photogrammetrie- oder Inspektionsanwendungen
Einen Durchbruch von HSI-Applikationen mit mobilen Trägersystemen wie dem Precision Farming mit Hilfe von UAVs (Unmanned Aerial Vehicles) erwartet für die Zukunft Daniel Hofmann, CEO der spanischen Photonfocus-Tochter Solpi: «Kamerasysteme können z.B. an eine Drohne montiert werden, um Photogrammetrie- oder Inspektionsanwendungen zu ermöglichen. Ein solches Kamerasystem kann aus mehreren Hyperspektralkameras, einem GPS-System, einem Embedded-Computer und vielem mehr bestehen. Die aufgenommenen Bilder werden mit genauen GPS-Daten versehen, um die spätere Bildverarbeitung zu vereinfachen.» Solpi bietet dafür ein Kamerasystem an, das die Verwendung mehrerer Hyperspektral-Kameras in einer eigenständigen Grabbing-Lösung erlaubt.
Herausforderungen an HSI-Bildverarbeitung
Trotz dieser und weiterer vielversprechender Anwendungsbeispiele zählt Hyperspectral Imaging momentan noch zu den exotischen Disziplinen der Bildverarbeitung. Ein Grund dafür sind einige Herausforderungen, die es noch zu meistern gilt, bevor die Technologie flächendeckend eingesetzt werden kann. Der derzeit noch relativ hohe Preis für die Hyperspektraltechnik zählt dabei zu den Haupteintrittsbarrieren. Hinzu kommt, dass die gesamte Technologie nicht einfach zu verstehen ist und häufig ein tiefes Fachwissen im Bereich der Spektroskopie erfordert.
Bedarf an geeigneten Beleuchtungen für Hyperspektrale Bildverarbeitung
Als weitere Herausforderung nennt Stemmer Imaging-Produktmanager Huylebrouck das Thema Beleuchtung: «Hyperspektrale Bildverarbeitung funktioniert nicht mit den sonst in der Bildverarbeitung häufig verwendeten LED-Beleuchtungen, sondern nur mit Halogenlampen, die ein breites Wellenlängenspektrum emittieren. Hier gibt es noch Bedarf an geeigneten Beleuchtungen.»
Zudem müsse die Beleuchtung z.B. in Anwendungen in der Lebensmittelindustrie ein Schutzglas aufweisen, das in dieser Branche jedoch aufgrund von Sicherheitsstandards nicht aus Glas sein darf. «Andere Materialien würden die Spektren allerdings verfälschen. Hier bedarf es einiger Kniffe», erläutert Huylebrouck.
Diese Gründe sowie der Mangel an leistungsfähiger Hyperspektral-Software, an zuverlässigen Spektraldaten und an Erfahrung führen nach Ansicht vieler Experten zu einem derzeit noch etwas zögerlichen Ausbau dieser neuen Technologie.
Hyperspektrale Bildverarbeitung: Trend Richtung Embedded
Die innovativen Möglichkeiten der Technologie veranlassen viele Unternehmen dennoch dazu, mit Hochdruck an Weiterentwicklungen in diesem Bereich arbeiten. «Wir beobachten einen Trend zur Verkleinerung der Systeme, wobei hier Sorge getragen werden muss, dass dies nicht zu Lasten der Leistungsfähigkeit gehen darf. Welche Grenzen hier gesetzt sind, wird die Zukunft weisen», so Hilmar Krüger, Vertriebsleiter von inno-spec.
Perception Park-CEO Markus Burgstaller zählt einige weitere aktuelle Stossrichtungen auf: «Wie für andere Bildverarbeitungstechnologien geht der Trend auch für die hyperspektrale Bildverarbeitung in Richtung Embedded. Die Kameras werden zunehmend kleiner und kostengünstiger und erlauben in Kombination mit neuen Bildaufnahmetechnologien in absehbarer Zeit den Einsatz in Hand-Held-Geräten wie zukünftigen Smartphones.» Zudem werden HSI-Kameras durch die Ergänzung eines Pre-Prozessors «smart» und ermöglichen eine Vorverarbeitung der Hyperspektraldatenflut sowie die Extraktion und Weiterreichung der relevanten Informationen wie chemischer oder physikalischer Objektinformationen pro Objektpixel. «Dies wird zu einer deutlich höheren Akzeptanz dank der damit möglichen Standardschnittstellen führen», ist Burgstaller überzeugt.
This Camera Sees What Your Eyes Don’t - eine kleine Einführung in die Hyperspektral-Technik. (Quelle: Youtube-Kanal Inside Science)
Materialien allein aufgrund ihrer spektralen Signatur zu erkennen
Die Kombination mit Ansätzen aus der künstlichen Intelligenz und speziell das Thema Deep Learning wird die Technologie zusätzlich deutlich voranbringen, glaubt Burgstaller: «HSI-Systeme werden zukünftig anhand vieler charakteristischer chemischer und physikalischer Informationen lernen und so für eine signifikante weitere Vereinfachung der Anwendung von hyperspektralen Bildverarbeitungssystemen sorgen.»
Gion-Pitschen Gross von Allied Vision bestätigt diese Einschätzung: «In Zukunft sollte es möglich sein, Materialien allein aufgrund ihrer spektralen Signatur zu erkennen, ohne dass ein Training nötig wäre.» Die Hyperspektral-Software Perception Studio von Perception Park stellt dabei bereits heute eine intuitive Software-Suite zur Aufnahme, Modellierung und Analyse von Hyperspektraldaten bereit.
Für Specim-Geschäftsführer Dr. Georg Meissner entwickelt sich Hyperspectral Imaging aufgrund dieser zahlreichen Trends zunehmend zu einem weit verbreiteten, etablierten Segment der Bildverarbeitung und der Qualitätskontrolle. «Die technischen Fortschritte in diesem Bereich werden sicher schon bald zu höheren Bilderfassungsraten sowie vermutlich auch zu breiteren Spektralbereichen und kompakteren Kameragrössen führen.»
HSI-auf der Fachmesse Vision
Für Florian Niethammer, Teamleiter Visionbei der Messe Stuttgart, zählt Hyperspectral Imaging aus diesen Gründen zu den spannendsten Themen der VISION 2018: «HSI-Systeme sind extrem innovativ und erschliessen der Bildverarbeitung neue Anwendungen, die mit traditionellen System bisher nicht gelöst werden konnten. Das Thema wird auf der diesjährigen VISION vom 06. bis 08. November 2018 in Stuttgart daher eine wesentliche Rolle einnehmen. Neben zahlreichen Ausstellern, die ihre HSI-Produkte und -Lösungen präsentieren werden, bieten auch einige Vorträge im Rahmen der «Industrial VISION Days» interessierten Besuchern die Möglichkeit, sich über diese Technologie zu informieren und Ideen für Einsatzmöglichkeiten zu generieren.»
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Textquelle: Messe Stuttgart
Bildquelle: Messe Stuttgart
Publiziert von Technik und Wissen (ea)
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