Additive Manufacturing flexibel einsetzen dank Hybridtechnik
Hybrid-additive Fertigung von Grossbauteilen mit Laserauftragschweissen
Additive Manufacturing flexibel einsetzen dank Hybridtechnik
Hybrid-additive Fertigung von Grossbauteilen mit Laserauftragschweissen
Die Idee hinter einem Forschungsprojekt: Additive Fertigung bei der Grossbauteilefertigung flexibel in einer bestehende Prozesskette verfügbar zu machen. So würde das eingesetzte Laserauftragsschweissen nur dann eingesetzt, wenn es einen Mehrwert bietet.
Es ist immer wieder erstaunlich, was unterschiedliche Partner erreichen, wenn alle konsequent auf ein Ziel hinarbeiten: So entstehen im BMBF-Forschungsprojekt ProLMD in Teamarbeit neue Hybrid-Prozesse, die konventionelle Fertigungsverfahren mit Laserauftragschweissen (auch bekannt als Laser Material Deposition, LMD) zu einem neuen Fertigungsansatz vereinen.
Basis: Roboterbasierte hybrid-additive Fertigung
Den Beginn markiert 2016 eine Forschungsidee. «Es geht um die Entwicklung wirtschaftlicher und robuster Systemtechnik für das LMD-Verfahren, basierend auf einem Knickarm-Roboter, sowie ihre Integration in eine Prozesskette für hybride Fertigung», blickt Jan Bremer, Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT aus Aachen, zurück. «Dabei bewegen wir uns entlang der Prozesskette für die roboterbasierte hybrid-additive Fertigung und erforschen verschiedene, dafür notwendige Technologien. Das Spektrum der Inhalte deckt dabei alles ab – von Bearbeitungsköpfen, Roboter- und Schutzgassystemen über die Schweissprozesse bis zur Qualitätssicherung und Software.»
Das Hybride in der Praxis
Was hybrid konkret in der Praxis heisst, zeigen drei Anwendungen der Projektpartner MTU Aero Engines (Aufbau von Funktionselementen an einer Triebwerkskomponente), Airbus (Bauteilverstärkung durch 3D-Verrippung) und Mercedes-Benz (Anpassung eines Presswerkzeuges in der Karosseriefertigung). Im Mittelpunkt steht die lokale Verstärkung oder Veränderung von konventionell gefertigten Bauteilen. Im Projekt liegt der Fokus auf der Fertigung, die entwickelten Technologien erlauben jedoch zudem auch Reparaturanwendungen.
Die Vorteile verschiedener Fertigungsverfahren nutzen
«Diese Beispiele zeigen, was wir unter hybrider Fertigung verstehen», sagt Wissenschaftler Bremer. «Es ist die flexible Verbindung der Vorteile aus verschiedenen Fertigungsverfahren, da es beliebige konventionelle Herstellverfahren mit LMD zu einer durchgängigen Prozesskette vereint.» Die Flexibilität zeigt sich auch im Projekt bei den Industriepartnern, die ihre Demonstratoren vor der LMD-Funktionalisierung durch Rollformen (Airbus), Giessen (Mercedes-Benz) oder Schmieden (MTU) herstellen.
Roboterforschungszelle mit Optikwechselsystem beim Draht-Laserauftragschweissen am Fraunhofer ILT. Bild: Fraunhofer ILT, Aachen
Additive Manufacturing nur dort, wo auch Mehrwert
Für den Wissenschaftler ist es ausserdem ein schönes Beispiel, wie sich komplexe Variantenvielfalt in der Herstellung vereinfachen lässt. «Man fängt zum Beispiel mit dem Stanzen und Besäumen eines Basisteils immer auf die gleiche Art und Weise an», erklärt Bremer. «Die Varianten werden dann später mit Hilfe von LMD hergestellt. Der Anwender kann also weiterhin seine Stanzanlage nutzen, um dann aber z. B. Verstärkungen additiv aufzutragen.
Durch das LMD-Verfahren und die in ProLMD entwickelten Technologien können wir dabei extrem flexibel und automatisiert agieren. Das entspricht unserer Leitidee: Additive Manufacturing – aber nur dort in der Prozesskette, wo es Mehrwert bedeutet.» Mit diesem Ziel im Visier arbeiten die Aachener zusammen mit insgesamt sieben Industriepartnern an einer hocheffizienten, modularen LMD-Zelle, die sich mit geringem Aufwand in eine bestehende Prozesskette integrieren lässt.
Neue Bearbeitungsoptik zur Erzeugung eines Ringstrahls
Für maximale Anwendungsflexibilität werden Prozesse mit Draht und auch Pulver als Zusatzwerkstoff entwickelt. Am Fraunhofer ILT entstand u. a. eine Bearbeitungsoptik zur Erzeugung eines Ringstrahls für das koaxiale Laserauftragschweissen, die im ProLMD-Verbundprojekt weiterentwickelt und genutzt wird. Diese Optik erzeugt einen Ring mit gleichmässiger Intensitätsverteilung und bietet damit Richtungsunabhängigkeit beim Schweissen. Im Rahmen des Projektes werden dabei Prozesse mit Auftragsraten im Bereich von 1 bis 2 kg/h bei hoher geometrischer Auflösung entwickelt.
Wozu der mehrachsige Kuka-Roboter?
Doch warum kommt ein mehrachsiger Kuka-Roboter zum Einsatz? «Für ihn spricht der sehr grosse Bauraum, seine Flexibilität und die einfache Zugänglichkeit», erläutert Bremer. «Wir können in der Versuchsanlage mithilfe von bis zu acht Achsen ein fast beliebig komplexes Bauteil von allen Seiten bearbeiten. Die Anlagentechnik lässt sich dabei mit Robotern erstaunlich preiswert realisieren.» Fokus des Projektes ist die Bearbeitung von komplexen Grossbauteilen. «Bauteile bis zu 1,2 Tonnen Gewicht und einem Durchmesser von zwei Metern können wir auf der Roboteranlage bearbeiten», berichtet der Wissenschaftler.
3D-Druck im Massstab XXL: Das Turbinenzwischengehäuse eines GEnx-Triebwerks ist Demonstrationsbauteil des Projektpartners MTU Aero Engines für die hybrid-additive Fertigung durch Laserauftragschweissen (LMD) mit dem neuen Bearbeitungskopf. Bild: MTU Aero Engines AG, München
Aufgabenteilung klar definiert
Die Aufgabenteilung der weiteren Projektpartner ist klar definiert: Der Geschäftsbereich Lasertec des Kuka-Standorts in Würselen übernimmt die Projektleitung und Zellintegration des Roboters, während sich die Laserline GmbH aus Mülheim-Kärlich um die Auslegung und Entwicklung von Strahlquelle und Optik kümmert. Die M. Braun Inertgas-Systeme GmbH, Garching (bei München), ist für den Bau einer Schutzgaszelle zuständig, während die Dortmunder BCT Steuerungs- und DV-Systeme GmbH Software und anlagenintegrierte Messtechnik entwickelt.
Flexible Plug-in-Lösung
Flexibel wird die Plug-in-Lösung, weil sie nach dem Blackbox-Prinzip funktioniert. «Uns interessiert nicht, was vorher oder nachher mit dem Bauteil passiert», betont Bremer. «Wir arbeiten nicht ein statisches CAD-Modell ab, sondern nutzen dank robuster Systemtechnik und Software in adaptiven Prozessen auch die reale Geometrie. Durch intelligente Algorithmen kann sich die Zelle auch extremen Bauteilabweichungen anpassen und diese kompensieren.»
Die Betonung liegt dabei bei Hard- und Software auf robust – vom Laserkopf, Roboter bis hin zum flexiblen Schutzgaskonzept und geeigneter angepasster Bahnplanungsalgorithmen. Ein Hinweis, dass das Fraunhofer ILT nicht nur den Schweissprozess weiterentwickelt, sondern auch weitere wichtige Aspekte wie den Einfluss der Robotergenauigkeit auf die Prozesssicherheit und Bauteilqualität erforscht.
Roboteranlage mit und ohne Schutzgaszelle
Während Projektleiter Kuka in Würselen den Roboter in einer flexiblen Schutzgaszelle oxidationsempfindliche Werkstoffe wie Titan prozesssicher schweissen lässt, arbeiten die Aachener mit einer weiteren Roboteranlage ohne Schutzgaszelle bei den nickel- und eisenbasierten Werkstoffen mit lokal aus der Düse ausströmendem Schutzgas. Wenn die Auftragsrate höher ausfällt, verwenden sie nach Bedarf zusätzlich eine wenige Zentimeter grosse Schutzgasglocke. «Auf diese Weise kommen alle drei Lösungen mit deutlich weniger teurem Schutzgas aus», so Bremer. «Das senkt die Betriebskosten erheblich.»
Ein neuer Bearbeitungskopf ermöglicht Draht-LMD in hybriden Prozessen. Bild: Fraunhofer ILT, Aachen
Bauteil mit innenliegenden Kühlstrukturen additiv aus Kupfer fertigen
Innovative Prozesse sind dabei nicht nur Forschungsgegenstand, sondern auch Alltag am Fraunhofer ILT. «Bei den ersten Versionen der lokalen Schutzgasglocke hatten wir bei höheren Auftragsraten thermische Probleme», berichtet der Forscher. «Da unsere Forscherkollegen im pulverbettbasierten selektiven Laserschmelzen (Laser Powder Bed Fusion, LPBF) aber bereits seit einigen Jahren an der Verarbeitung von Kupfer arbeiten, konnten wir mit ihrer Unterstützung auf einer Forschungsanlage das Bauteil mit innenliegenden Kühlstrukturen additiv aus Kupfer fertigen und das Problem so lösen.» Für ihn ist es ein Beispiel dafür, was sich ergeben kann, wenn ein Institut fachübergreifend Lösungen entwickelt.
Preiswertere Variante der ProLMD-Roboteranlage für KMU
Mehr über die Erfolge von proaktiver Teamarbeit zeigt sich beim Blick in die Entwicklungshallen am Fraunhofer ILT. In Aachen stehen eine grosse und eine kompaktere Roboterzelle für die additive Fertigung. Auf diese neueste Entwicklung sind die Projektteilnehmer besonders stolz: Mit zusätzlicher finanzieller Unterstützung durch das BMBF entsteht eine preiswertere Variante der ProLMD-Roboteranlage für kleine und mittlere Unternehmen (KMU).
«Wir haben die Lösung von einem 3,1 m langen Roboterarm mit 90 kg Traglast auf etwa 2 m und 60 kg Traglast herunter skaliert», berichtet der Wissenschaftler. «Am grossen Roboter zeigen wir ein flexibles Wechselsystem mit Draht- und pulverbasierten Bearbeitungsköpfen, in der kleinen Zelle geht es um pulverbasiertes LMD, maschinenintegrierte Geometrievermessung und das neue CAM-Modul.»
Mit der neuen Zelle beweisen die Aachener in Zusammenarbeit mit den Projektpartnern, dass sich auch eine kompakte Zelle für KMU realisieren lässt, die nochmals deutlich weniger als ein typisches Bearbeitungszentrum kostet.
Impressum
Autor: Nikolaus Fecht im Auftrag des Fraunhofer ILT
Bildquelle: diverse
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