Auf einen Kaffee bei Dr. Uli Viethen, Geschäftsführer von Murrelektronik
«Sparen und investieren gehören eng zusammen»
Auf einen Kaffee bei Dr. Uli Viethen, Geschäftsführer von Murrelektronik
«Sparen und investieren gehören eng zusammen»
Wenn es einen Rheinländer ins Schwäbische verschlägt, muss da schon etwas ganz Besonderes sein. Und es ist sehr viel mehr als nur ein effizient gebrühter Kaffee, wie Geschäftsführer Dr. Uli Viethen von Murrelektronik im Gespräch verrät.
Markus Back (Autor) und Susanne Seiler (Fotos)
Es heisst von den Schwaben, dass diese sehr sparsam seien. Da Sie beruflich bereits in verschiedenen Regionen Deutschlands tätig waren, bringen Sie doch mal Licht ins Dunkel. Wird der Kaffee in Oppenweiler dünner gebrüht als in Erlangen oder Bocholt?
(lacht) Der Kaffee wird hier keineswegs dünner gebrüht als andernorts! Vielmehr sorgt der Schwabe dafür, dass der Kaffee so stark ist, dass man sehr gut durch den Tag kommt. Das heisst, der Schwabe achtet nicht nur auf Sparsamkeit, sondern auch auf Effektivität. Und das schätze ich als gebürtiger Rheinländer natürlich sehr.
Wenn Sie diese regionalen Erfahrungen sammeln konnten, wäre natürlich spannend zu wissen, wo Ihnen der Kaffee bislang am besten geschmeckt hat.
Wenn ich es nicht am Arbeitsort festmache, hatte ich den besten Kaffee in Marseille. Für mich ist er mehr als nur eine medizinische Droge, er hat etwas mit Lebens-gefühl und Genuss zu tun. Kann ich also Kaffee mit Menschen trinken, die mir wichtig sind oder die ich sehr schätze, schmeckt mir dieser gleich sehr viel besser. Das gilt für mich übrigens auch dort, wo ich ein Team um mich habe, das etwas bewegen und erreichen will. Und mit einem solchen Team arbeite ich derzeit in Oppenweiler.
Uli Viethen als CTO und CFO
Sie begleiten bei Murrelektronik gleich zwei verantwortungsvolle Positionen. Inwieweit wirkt sich diese Doppelverantwortung auf Ihren Kaffeekonsum aus?
Minimal. Angefangen habe ich bei der Murrelektronik als CTO und kümmerte mich dabei um die technischen Ambitionen des Unternehmens. Später kam mit dem CFO eine weitere Tätigkeit hinzu, die eigentlich im Widerspruch zur ersten steht. Da aber am Ende beide Aufgaben ineinanderlaufen – der CFO muss die Unternehmensentwicklung nämlich ebenso fördern wie der CTO – hat mein Kaffeekonsum in der Konsequenz nicht durch die Mehrung der Aufgaben, sondern eher durch die Grösse der Gesamtaufgaben leicht zugenommen.
Als CTO müssen Sie das Unternehmen mit innovativen Lösungen voranbringen, als CFO sollten Sie das Geld zusammenhalten. Wie gehen Sie damit um?
Eines meiner beruflichen Vorbilder, ein Schwabe übrigens, hat mir beigebracht, dass man sparen muss, um investieren zu können. Ohne Investitionen verliert ein Unternehmen auf Dauer an Möglichkeiten und damit an Relevanz. Von daher gehören für mich sparen und investieren eng zusammen. Meine Überzeugung ist, dass man das Geld nehmen und dort anlegen muss, wo es für den Kunden den besten Effekt erzielt.
Dort investieren, wo die Kundenvorteile liegen
Wie viel Prozent des Umsatzes stellen Sie als CFO für Forschung und Entwicklung bereit, damit Sie für Ihre Kunden die besten Effekte erzielen können?
Wir reden nicht viel über unsere Budgets und wie wir diese allokieren. Ich kann aber sagen, dass wir einen sehr hohen Prozentsatz in unsere Produkte investieren. Die Frage ist für mich aber gar nicht so sehr, wie viel Prozent vom Umsatz das ist, sondern ob wir tatsächlich dort investieren, wo sich relevante Verbesserungen für den Kunden erzielen lassen.
Wir leben heute nicht mehr in einer Welt, in der das Produkt und die Transaktionen um das Produkt herum alleine wichtig sind, sondern in einer Welt, die von der Vernetzung und Komplexität auf der Seite des Maschinenbauers geprägt ist. Daher versuchen wir dort zu investieren, wo unser Kunde aus unseren Produkten einen Vorteil für sich, aber auch für seinen Kunden erzielen kann. Der Vorteil des Kunden unseres Kunden ist eine Leitlinie, entlang der wir denken und planen.
Können Sie das anhand eines Produktes erklären?
Nehmen Sie MICO. Das ist nicht nur eine Stromversorgung oder das zur Verfügung stellen von Spannung und Strom an einer Klemme, sondern ein Produkt, dass bei der Inbetriebnahme einer Maschine eine leichte Anpassung der Parameter gestattet, die überwacht werden sollen. Während der Konfigurationsphase einer Maschine erlaubt es dann, ganz einfach festzustellen, ob diese vollständig verdrahtet und funktionsfähig ist. Später, im Wartungsfall, wenn der Kunde durch die Ausfallszeit geschädigt wird, ermöglicht es einen schnellen, diagnostischen Blick auf die Maschine. Für mich ist MICO ein Paradebeispiel dafür, wie wir mit unseren Produkten für unsere Kunden und deren Kunden einen Mehrwert schaffen.
«Für MICO sehe ich viele Potenziale»
Die Markteinführung von MICO war vor 16 Jahren, inzwischen überwacht die Lösung weltweit über 8,5 Millionen Strompfade. Welche Rolle spielt ein solches Produkt in Ihren entwicklungstechnischen Planungen überhaupt noch? Belässt man es beim Status quo oder sind Optimierungen immer anzustreben?
Die Tatsache, dass wir weltweit so viele Strompfade überwachen, ist erst einmal eine gute Nachricht. Überall dort, wo das nämlich geschieht, hat der Anwender durch uns einen Produktivitätsvorteil.
Zu Ihrer Frage, ob wir neben der Überwachung von Strompfaden weiteres Potenzial für dieses Erfolgsprodukt sehen: Ja, das sehen wir. Denn ich kann ja aus dem Verhalten eines jeden dieser Strompfade und dem Wissen darüber, was die Maschine gerade tut, sehr viel darüber herausfinden, wie es der Maschine und dem Prozess, der auf dieser läuft, gerade geht. Daher ist es für uns naheliegend, im nächsten Schritt alle diese Knoten in eine informationstechnische Auswertemöglichkeit einzubinden. Wo und in welcher Komplexität diese Auswertung stattfindet, steht bislang aber noch nicht fest. Und das ist auch nur ein Aspekt von vielen. Für MICO sehe ich viele Potenziale.
Jetzt frage ich Sie in Ihrer Funktion als CTO, reicht Ihnen das Geld, dass Sie sich hierfür budgetiert haben?
Der Engpass ist meist nicht eine Frage der Mittel, sondern der richtigen Idee. Unser Unternehmen hat grandiose Leute, verfügt über ein gutes Netzwerk und vor allem über eine hervorragende Verbindung zu unseren Anwendern, so dass es auch nicht an guten Ideen mangelt. Glücklicherweise wurde aber auch so viel budgetiert, dass wir diese Ideen in marktreife Produkte umsetzen können.
Dort investieren, wo die Kundenvorteile liegen
Wie viel Prozent des Umsatzes stellen Sie als CFO für Forschung und Entwicklung bereit, damit Sie für Ihre Kunden die besten Effekte erzielen können?
Wir reden nicht viel über unsere Budgets und wie wir diese allokieren. Ich kann aber sagen, dass wir einen sehr hohen Prozentsatz in unsere Produkte investieren. Die Frage ist für mich aber gar nicht so sehr, wie viel Prozent vom Umsatz das ist, sondern ob wir tatsächlich dort investieren, wo sich relevante Verbesserungen für den Kunden erzielen lassen.
Wir leben heute nicht mehr in einer Welt, in der das Produkt und die Transaktionen um das Produkt herum alleine wichtig sind, sondern in einer Welt, die von der Vernetzung und Komplexität auf der Seite des Maschinenbauers geprägt ist. Daher versuchen wir dort zu investieren, wo unser Kunde aus unseren Produkten einen Vorteil für sich, aber auch für seinen Kunden erzielen kann. Der Vorteil des Kunden unseres Kunden ist eine Leitlinie, entlang der wir denken und planen.
Können Sie das anhand eines Produktes erklären?
Nehmen Sie MICO. Das ist nicht nur eine Stromversorgung oder das zur Verfügung stellen von Spannung und Strom an einer Klemme, sondern ein Produkt, dass bei der Inbetriebnahme einer Maschine eine leichte Anpassung der Parameter gestattet, die überwacht werden sollen. Während der Konfigurationsphase einer Maschine erlaubt es dann, ganz einfach festzustellen, ob diese vollständig verdrahtet und funktionsfähig ist. Später, im Wartungsfall, wenn der Kunde durch die Ausfallszeit geschädigt wird, ermöglicht es einen schnellen, diagnostischen Blick auf die Maschine. Für mich ist MICO ein Paradebeispiel dafür, wie wir mit unseren Produkten für unsere Kunden und deren Kunden einen Mehrwert schaffen.
«Für MICO sehe ich viele Potenziale»
Die Markteinführung von MICO war vor 16 Jahren, inzwischen überwacht die Lösung weltweit über 8,5 Millionen Strompfade. Welche Rolle spielt ein solches Produkt in Ihren entwicklungstechnischen Planungen überhaupt noch? Belässt man es beim Status quo oder sind Optimierungen immer anzustreben?
Die Tatsache, dass wir weltweit so viele Strompfade überwachen, ist erst einmal eine gute Nachricht. Überall dort, wo das nämlich geschieht, hat der Anwender durch uns einen Produktivitätsvorteil.
Zu Ihrer Frage, ob wir neben der Überwachung von Strompfaden weiteres Potenzial für dieses Erfolgsprodukt sehen: Ja, das sehen wir. Denn ich kann ja aus dem Verhalten eines jeden dieser Strompfade und dem Wissen darüber, was die Maschine gerade tut, sehr viel darüber herausfinden, wie es der Maschine und dem Prozess, der auf dieser läuft, gerade geht. Daher ist es für uns naheliegend, im nächsten Schritt alle diese Knoten in eine informationstechnische Auswertemöglichkeit einzubinden. Wo und in welcher Komplexität diese Auswertung stattfindet, steht bislang aber noch nicht fest. Und das ist auch nur ein Aspekt von vielen. Für MICO sehe ich viele Potenziale.
Jetzt frage ich Sie in Ihrer Funktion als CTO, reicht Ihnen das Geld, dass Sie sich hierfür budgetiert haben?
Der Engpass ist meist nicht eine Frage der Mittel, sondern der richtigen Idee. Unser Unternehmen hat grandiose Leute, verfügt über ein gutes Netzwerk und vor allem über eine hervorragende Verbindung zu unseren Anwendern, so dass es auch nicht an guten Ideen mangelt. Glücklicherweise wurde aber auch so viel budgetiert, dass wir diese Ideen in marktreife Produkte umsetzen können.
Entwicklungen bei den Switches und Anbindungen
Lassen Sie uns doch über eine dieser Ideen sprechen, mit der Sie sich gerade befassen.
Bei den Switches und Anbindungen beispielsweise befassen wir uns derzeit intensiv mit Netzwerkstrukturen, die nicht alleine mit den Protokollen der Automatisierung arbeiten, sondern sich an den Standards der Informationstechnologie orientieren. Für den Anwender wird die Pragmatisierung dieser Technologien ein riesiger Schritt, da sie ihm einen souveränen Umgang damit ermöglichen wird.
Sprechen Sie da von der Verschmelzung IT und OT?
Genau, darum geht es! In der Automatisierung sind Schnittstellen und Proprietarität Themen, die sich zukünftig auflösen werden. Mit dieser Auflösung wird eine Vielfalt aufkommen, die Chancen bietet, aber auch Orientierung braucht. Wir als Hersteller müssen daher die Pragmatisierung unserer Produkte so hinbekommen, dass diese Vielfalt den Kunden nicht erschlägt, sondern ihm nützt.
«Schnittstellen und Proprietärität lösen sich zukünftig auf.» Dr. Uli Viethen über die Verschmelzung von OT und IT
Digitale Transformation und die Herausforderungen
Mit welchen Herausforderungen sehen Sie sich durch die digitale Transformation konfrontiert?
Wir glauben von uns selbst, dass wir Treiber dieser Transformation sind. Dennoch gibt es immer wieder Bereiche, in denen man selbst nicht gesehen hat, dass man treibend ist. Wir sehen beispielsweise mit grosser Spannung die Veränderung unserer Kollaborationswelt aus der Corona-Krise heraus. Plötzlich finden sich Mitarbeiter oder Mitarbeitergruppen spontan über Software produktiv zusammen, um an einer Lösung zu arbeiten. Das ist ja kein trainiertes Verhalten, sondern muss in dem Moment gestaltet werden. Unsere Mitarbeiter haben an diesen neuen Arbeitsformen, welche die digitale Transformation ermöglicht, enormen Spass und haben es dem Unternehmen damit erst ermöglicht, in dieser Krise souverän zu bleiben und weiterhin Herr seines eigenen Schicksals zu sein.
Die Corona-Krise – wie gehen Sie damit um?
Homeoffice war in vielen Unternehmen verpönt, mit Ausbruch der Corona-Krise von einem Tag auf den anderen aber plötzlich kein Problem mehr. Wie war das bei Ihnen?
Wir haben im vergangenen Jahr, also vor der Corona-Krise, Kaizen-mässig unsere Homeoffice-Richtlinie überarbeitet und verbessert. Ich möchte jetzt gar nicht behaupten, dass uns das für eine erfolgreiche Homeoffice-Phase prädestiniert hat, aber es hat uns dabei schon sehr geholfen. Ohne den Willen und die Unterstützung unserer Mitarbeiter hätte das aber nicht so gut funktioniert.
In Ihrer langen beruflichen Laufbahn war das nicht die erste Krise, die Sie erlebt haben. Was war bei dieser anders als bei den vorherigen Krisen?
Das man das öffentliche Leben total heruntergefahren hat. Die Herausforderung bestand in meiner Wahrnehmung vor allem darin, zu beurteilen, wie die Situation gerade ist: Was dürfen wir uns, aber auch unseren Mitarbeitern, zumuten?
Es ist sehr oft vom Ingenieurmangel die Rede, allerdings zeigt sich, dass Unternehmen sehr viel grössere Probleme damit haben, Facharbeiter für Ihre Produktion zu finden. Wie stellt sich das bei Murrelektronik dar?
Diesen Mangel erleben wir mittlerweile tatsächlich in allen Unternehmensbereichen und es ist inzwischen sehr schwierig, die richtigen Leute für die entsprechenden Positionen überhaupt noch zu finden.
Inwieweit ist hierbei der Grossraum Stuttgart ein Vor- beziehungsweise Nachteil?
Im Grossraum Stuttgart sind sehr viele grosse und mittelständische Unternehmen zu Hause, was den Vorteil bietet, eher die Leute zu finden, die wir suchen. Wir müssen sie «nur» identifizieren und begeistern.
Murrelektronik als Arbeitgeber: Wie begeistert man?
Wie begeistert man bei einer so grossen Auswahl an möglichen Arbeitgebern für sich?
Es kommt vor allem auf den Geist im Unternehmen an. Es geht nicht darum, dass jemand vom Individuum einer Geschäftsführung oder was auch immer begeistert ist, sondern er muss vom Unternehmensgeist angesteckt sein. Daher ermöglichen wir potenziellen Mitarbeitern einen Blick hinter die Kulissen. Bei uns ist es nicht nur ein Vorstellungsgespräch, sondern wir zeigen uns jemanden, den wir gerne in unserem Team haben möchten, sehr offen und mit einer grossen Bandbreite. Und das lässt uns erfolgreich sein im Wettbewerb um Talente.
Bei LinkedIn folgen Sie hauptsächlich Wettbewerbern oder Anwendern Ihrer Produkte. Lediglich Jaguar Land Rover lässt sich nicht eindeutig zuordnen. Bevorzugen Sie etwa englische Autos?
Definitiv nicht! Das hat vielmehr mit einer langen Beziehung zulieferungstechnischer Natur aus meiner beruflichen Vergangenheit zu tun.
Jetzt bin ich neugierig. Was für ein Auto fährt man den als Geschäftsführer der Murrelektronik?
Aktuell fahre ich einen 5-er BMW.
Sind im Moment nicht Elektroautos en vogue?
Wenn Sie mein LinkedIn-Profil in der Tiefe ansehen, fällt Ihnen auf, dass ich mich schon seit langem mit der Frage des Energieträgers Wasserstoff auseinandersetze – dieser und die elektrische Mobilität sind eins. Das Elektroauto kommt, aber vermutlich nicht so, wie es sich heute viele vorstellen. Wenn es eines Tages aber soweit sein wird, fahre ich auf jeden Fall elektrisch.
Impressum
Autor: Markus Back
Bilder: Susanne Seiler
Publiziert von Technik und Wissen
Informationen
Murrelektronik GmbH
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