Humanoide Roboter sind vielversprechend, aber noch nicht praxistauglich. Eine Studie des Fraunhofer IPA zeigt Potenziale, Herausforderungen und realistische Einsatzszenarien – zwischen Innovation und Hürden.


Ein Beitrag der Firma Fraunhofer IPA
Redaktionelle Bearbeitung: Technik und Wissen

Die Erwartungen an humanoide Roboter sind hoch, doch ihre tatsächlichen Einsatzmöglichkeiten bleiben bislang begrenzt. Eine aktuelle Studie des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) analysiert den Status quo, identifiziert mögliche industrielle Anwendungen und gibt Handlungsempfehlungen für die Integration dieser Technologie in die Praxis.

Potenzial und Herausforderungen humanoider Roboter

Obwohl humanoide Roboter mit zwei Armen und wahlweise zwei Beinen oder einer mobilen Plattform zunehmend Aufmerksamkeit erhalten, sind ihre realen Einsatzszenarien noch rar. Basierend auf einer Befragung von über 100 Fachleuten aus der Industrie nennt die Fraunhofer-Studie Materialtransport, Maschinenbeladung und das Greifen komplexer Gegenstände als vielversprechende Anwendungsbereiche.

Werner Kraus, Leiter des Forschungsbereichs Automatisierung und Robotik am Fraunhofer IPA, erklärt: «Genau die Kombination aus möglichen Ortswechseln und flexibler Greiftechnik ist in meinen Augen ‹gamechanging›. Denn hiermit können auch Aufgaben in bestehenden Anlagen, dem Brownfield, mit geringem Integrationsaufwand automatisiert werden.»

Dennoch sind viele Experten skeptisch, was die technologischen Fähigkeiten aktueller humanoider Roboter betrifft. Insbesondere bei Aufgaben, die hohe Präzision, Prozessgeschwindigkeit oder Systemstabilität erfordern, gibt es noch erhebliche Herausforderungen.

Ein weiterer kritischer Punkt ist die Mobilität: 60 % der Befragten bezweifeln, dass humanoide Roboter für die gewünschten Aufgaben zwei Beine benötigen. Sie finden eine radgetriebene Plattform oder gar eine stationäre Anwendung mit einem Zweiarmroboter zweckmässiger.

Sicherheit und Wirtschaftlichkeit als zentrale Faktoren

Ein entscheidender Hinderungsgrund für den breiten Einsatz humanoider Roboter ist die funktionale Sicherheit. Kraus stellt klar: «Deshalb sehe ich als wahrscheinliche Szenarien für erste Einsätze vorerst keinen Mischbetrieb mit dem Menschen.» Die Stabilität und Sicherheitskonzepte müssen weiterentwickelt werden, bevor ein reibungsloser Einsatz in industriellen Umgebungen möglich ist.

Neben technischen Herausforderungen gibt es wirtschaftliche Hürden: Die befragten Unternehmen sind sich unsicher über das Kosten-Nutzen-Verhältnis. Rund die Hälfte wäre bereit, bis zu 100 000 Euro für einen humanoiden Roboter zu investieren. Simon Schmidt, Geschäftsbereichsleiter am Fraunhofer IPA, betont: «Meiner Ansicht nach wird es für einen erfolgreichen Einsatz von Humanoiden nicht nur Use Cases brauchen, die technisch möglich sind, sondern insbesondere auch Business Cases, die betriebswirtschaftlich interessant sind.»

Auch die zeitliche Einschätzung der Marktreife ist zurückhaltend: Nur 6 % der Befragten sehen humanoide Roboter in den nächsten zwei Jahren im industriellen Einsatz. Eine Mehrheit von 74 % hält eine Einführung innerhalb der nächsten drei bis zehn Jahre für realistischer.

Empfehlungen für eine erfolgreiche Integration

Das Forschungsteam um Simon Schmidt, Joshua Beck, Lasse Höltge, Alexandra Huber und Ramez Awad hat in vier Schritten die Grundlagen für die Studie erarbeitet: Zunächst erfolgte eine wissenschaftliche Analyse, gefolgt von Experteninterviews und einer breiten Umfrage, die mit Unterstützung des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) durchgeführt wurde. Auf Basis der gewonnenen Daten entwickelte das Team sieben zentrale Handlungsempfehlungen:

  1. Entwicklung softwareseitiger Sicherheitsfunktionen und -features
  2. Erstellen einer Norm/Technischen Spezifikation vergleichbar mit der für die Mensch-Roboter-Kollaboration (ISO TS 15066)
  3. Entwicklung und Optimierung genauer Handhabung und Feinfühligkeit von Endeffektoren
  4. Rechtliche Evaluierungsmöglichkeiten für Unternehmen schaffen
  5. Einfaches Programmieren und Optimieren humanoider Roboter für deren Einsatz
  6. Förderung kritischer und differenzierender Technologien, insbesondere die Wachstumsfinanzierung von Start-ups
  7. Technologien zur Wahrnehmung der Umgebung und entsprechender Reaktion

Europäische Robotik-Konferenz in Stuttgart

Ein bedeutender Austausch zur Zukunft humanoider Roboter wird auf dem «European Robotics Forum» (ERF) vom 25. bis 27. März 2025 in der Stuttgarter Liederhalle erwartet. Mehr als 1000 Experten aus Forschung, Industrie und Politik nehmen teil. In zwei Workshops stehen humanoide Roboter im Fokus:

  • Donnerstag, 27. März, 11:10 Uhr: Applications for Humanoid Robots in Europe (moderiert von einem humanoiden Roboter)
  • Donnerstag, 27. März, 14:00 Uhr: The New Frontiers of Advanced Humanoid and Legged Robots

Interessierte können sich unter www.erf2025.eu/register anmelden.

Fazit: Viel Potenzial, aber noch grosse Hürden

Die Studie zeigt, dass humanoide Roboter vor allem durch ihre Flexibilität Potenzial für die Industrie bieten. Doch technische Herausforderungen, hohe Kosten und ungeklärte Sicherheitsfragen stehen einem schnellen Praxiseinsatz im Weg. Ob sie sich als Game Changer oder Irrweg erweisen, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.

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Textquelle: Fraunhofer IPA

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Redaktionelle Bearbeitung: Technik und Wissen

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www.ipa.fraunhofer.de

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