Bildverarbeitung auf Basis von polarisiertem Licht
Verborgene Produkteigenschaften erkennen mittels Polarisation
«Mit Polarisationskameras können wir die dritte Dimension des Lichts zum Vorschein bringen und für die industrielle Bildverarbeitung nutzbar machen.»
Bildverarbeitung auf Basis von polarisiertem Licht
Verborgene Produkteigenschaften erkennen mittels Polarisation
«Mit Polarisationskameras können wir die dritte Dimension des Lichts zum Vorschein bringen und für die industrielle Bildverarbeitung nutzbar machen.»
Bildverarbeitung auf Basis von polarisiertem Licht bietet interessante Möglichkeiten, um verborgene Produkteigenschaften wie Spannungen in Kunststoffen oder Gläsern zu erkennen oder Fehlerinspektionen durch Folien hindurch zu realisieren.
Für Fotografen zählen Polfilter zum gängigen Handwerkszeug, um unerwünschte Lichtreflektionen auszufiltern und so besonders kontrastarke Bilder aufzunehmen. Bekannt ist diese Technologie auch von polarisierten Sonnenbrillen, die den Filtereffekt sehr eindrücklich beim Blick auf Wasser offenbaren.
CMOS-Bildsensors mit Polarsens-Technologie
Seit der Vorstellung des ersten CMOS-Bildsensors mit Polarsens-Technologie IMX250MZR mit 5,1 MPix von Sony im Herbst 2018 und dem im vergangen Jahr vorgestellten IMX253 mit 12,4 MPix Auflösung, stehen auch Bildverarbeitern integrierte Polarisationsfunktionen auf Pixelebene zur Verfügung, um damit geeignete Aufgabenstellungen zu lösen.
Licht in vier Ebenen filtern
Diese Sensoren sind in der Lage, Licht in vier Ebenen mit 0°, 45°, 90° und 135° zu filtern und nur den Teil des Lichts durchzulassen, der parallel zur optischen Achse des jeweiligen Polarisators schwingt. Für jede Berechnungseinheit verwendet der Sony-Sensor dazu vier Nanodraht-Arrays, die mit den genannten Winkeln ausgerichtet sind.
Dabei befindet sich der Polarisator als Schicht zwischen den Fotodioden und den Mikrolinsen. Dieser intelligente Aufbau des Sensors reduziert den unerwünschten Effekt des Übersprechens (Crosstalk), der dann auftritt, wenn polarisiertes Licht auf ein benachbartes Pixel trifft.
Funktionsweise von Polarisationskameras
Um die Funktionsweise von Polarisationskameras besser zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die physikalischen Grundlagen. Licht lässt sich durch eine sich ausbreitende elektromagnetische Transversalwelle beschreiben, bei der eine elektrische Welle und eine magnetische Welle senkrecht zueinander und zur Ausbreitungsrichtung schwingen (siehe Auftaktbild).
Die Schwingungsebene der elektrischen Welle
Die Polarisation wird durch die Schwingungsebene der elektrischen Welle definiert. Üblicherweise ist das Licht nicht polarisiert, d.h. alle Schwingungsrichtungen der elektrischen Wellen sind gleich wahrscheinlich. Ist nur eine Schwingungsrichtung vorhanden, spricht man von linear polarisiertem Licht.
Sind die Phasen der senkrechten und parallelen Komponenten der elektrischen Welle unterschiedlich, ist das Licht elliptisch polarisiert. Zirkular polarisiertes Licht dagegen entsteht, wenn die Phasen beider Komponenten genau um 90 Grad verschoben sind.
Diese Aussagen gelten für das gesamte elektromagnetische Spektrum und somit auch für das Lichtspektrum, zu dem die Bereiche ultraviolettes Licht (UV), sichtbares Licht mit Wellenlängen zwischen 440 und 650 nm, nahes Infrarotlicht (NIR) und kurzwelliges Infrarotlicht (SWIR) zählen.
Nachteil des unpolarisierten Lichts
Wie bereits erläutert, besteht unpolarisiertes Licht aus vielen Wellen, die zufällig in verschiedenen Richtungen schwingen. Beispiele dafür sind Glühlampen oder Sonnenlicht. Diese Form der Beleuchtung hat in der industriellen Bildverarbeitung den Nachteil, dass sich vor allem bei Prüfobjekten mit glänzenden Oberflächen Reflektionen in Teilbereichen praktisch nicht vermeiden lassen.
Mit polarisiertem Licht unerwünschte Reflektionen ausfiltern
Polarisiertes Licht bedeutet hingegen, dass alle von einer der Lichtquelle ausgehenden Wellen die gleiche Polarisation aufweisen und somit in den Richtungen sowie dem Betrag der Amplituden der elektrischen Felder gleich sind. Durch die geschickte Nutzung von polarisiertem Licht können somit unerwünschte Reflektionen ausgefiltert werden. Wie die nachfolgenden Beispiele zeigen, ermöglicht dies in bestimmten Fällen eine vereinfachte und bessere Überprüfung von optischen Merkmalen an Objekten.
Mit dem Stokes-Vektor Polarisation des Lichts quantitativ bestimmen
Mit Hilfe des so genannten Stokes-Vektors lässt sich die Polarisation des Lichts quantitativ bestimmen und mathematisch darstellen. Dieser Vektor besteht aus vier Werten, mit denen sich die Richtung und Intensität und somit der Grad der linearen, zirkularen oder elliptischen Polarisation elektromagnetischer Wellen definieren lässt.
Bilder für die ersten drei Stokes-Parameter darstellen
Nach der Aufnahme von Objekten mit einer Polarisationskamera ist es möglich, Bilder für die ersten drei Stokes-Parameter darzustellen. Diese lassen sich in einem weiteren Schritt zur Berechnung der linearen Polarisation (DoLP, Degree of Linear Polarisation) und des Polarisationswinkels (AoMP, Angle of Mean Polarisation) verwenden. Zur besseren Visualisierung können diese DoLP- und AoMP-Bilder auch auf dem HSV-Farbraum abgebildet werden, um z.B. Spannungen in der Struktur von Objekten aus Kunststoff einfacher darzustellen.
Anwendungsmöglichkeiten von Polarisationskameras
Jan Sandvoss aus dem Vertrieb von Stemmer Imaging hat sich auf die Anwendung der Polarisationstechnologie spezialisiert und sieht eine Reihe interessanter Applikationen, die sich damit lösen lassen: «Vor allem bei der Inspektion von glänzenden, spiegelnden oder reflektierenden Oberflächen wie Folien, Metall oder Glas ermöglichen Polarisationsaufnahmen eine verbesserte Bildverarbeitung wie z.B. die einfachere Erkennung von Kratzern oder das robuste Lesen von Codes auf mehrschichtigen Folien.»
Anwendung: Fehlerfreie Aufreisslaschen untersuchen
So lässt sich nach seinen Worten mit dieser Technologie beispielsweise sehr einfach untersuchen, ob die Aufreisslaschen von in Folie eingeschweissten Kartendecks fehlerfrei sind. Bei einer Untersuchung mit unpolarisiertem Licht sind derartige Fehler deutlich schwieriger und bisweilen gar nicht zu erkennen.
Anwendung: Pick-&-Place-Aufgaben
Als weiteres Beispiel nennt Sandvoss klassische Pick-&-Place-Anwendungen, bei denen glänzende, oft metallische Bauteile unter verschiedenen Beleuchtungs- und Polarisierungswinkeln in unterschiedlichen Bildbereichen immer zu Reflektionen führen. Durch die Kombination von reflektionsfreien Teilen der unter unterschiedlichen, teilweise virtuellen Polarisationswinkeln aufgenommenen Bilder zu einem Gesamtbild ist es möglich, gut auswertbare Bereiche zusammenzuführen und somit die Bildverarbeitung und Erkennung der Teile und ihrer Lage auf dem synthetischen Bild zu vereinfachen.
Polarisationskameras noch relativ junge Technologie
Polarisationskameras in der Bildverarbeitung stellen eine leistungsstarke, aber noch relativ junge Technologie dar. Um ihre Möglichkeiten optimal auszuschöpfen ist es für interessierte Anwender wichtig, mit einem Partner zusammenzuarbeiten, der über fundierte Kenntnisse in diesem Bereich verfügt.
Zusammenarbeit mit führendenden Industriekameraherstellern
Stemmer Imaging arbeitet mit einigen führenden Industriekameraherstellern zusammen, die inzwischen spezielle Polarisationskameras entwickelt haben. Zu diesen zählen Allied Vision mit Modellen der Mako-Serie, JAI mit kompakten Go-Kameras und Teledyne DALSA mit bestimmten Modellen der Genie Nano-Familie.
Selbst entwickelten Software-Bibliothek
Auch bei den weiteren erforderlichen Komponenten wie den passenden Beleuchtungen und Optiken kann das Unternehmen auf ein breites Portfolio an Möglichkeiten zurückgreifen, um die optimale Systemzusammenstellung für die jeweilige Aufgabe zu realisieren. Die Erfahrung von Stemmer Imaging in diesem Bereich zeigt sich auch in der selbst entwickelten Software-Bibliothek Common Vision Blox, in der bereits geeignete Tools zur Auswertung von Polarisationsbildern enthalten sind.
Fazit zu den Vorteilen der Polarisation
Als wesentlichen Vorteil der Polarisation nennt Sandvoss zusammenfassend die Tatsache, dass nicht nur die Oberflächenbeschaffenheit von Objekten wie deren Rauheit, Kratzer, Dellen und Beschichtung den Polarisationszustand des Lichts verändern können, sondern auch andere physikalische Eigenschaften wie z.B. mechanische Belastungen oder Doppelbrechungen. «Mit Polarisationskameras können wir die dritte Dimension des Lichts zum Vorschein bringen und für die industrielle Bildverarbeitung nutzbar machen. Das bedeutet, dass sich mit Hilfe von Polarisationsverfahren Eigenschaften und Defekte erkennen lassen, die mit keiner anderen Methode sichtbar sind.»
Noch mehr erfahren über Polarisation
Vortrag zum Thema Polarisation des Lichtes
Vortrag beim Technologieforum Bildverarbeitung, Oktober 2019 zum Thema Polarisation. Referent: Jan Sandvoss, Stemmer Imaging. (Videoquelle: Youtube-Kanal Stemmer Imaging)
Landingpage zum Thema Polarisation
Ausserdem gibt es hier noch eine eigene Landingpage (ebenfalls von Stemmer Imaging) zu diesem Thema: Vertiefen Sie Ihr Wissen zum Thema Polarisation
Impressum
Textquelle: Stemmer Imaging
Bildquelle: Stemmer Imaging
Produktion: Technik und Wissen
Informationen
Stemmer Imaging AG
www.stemmer-imaging.com
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