Der Bodensee gilt als eines der schönsten Gewässer weltweit. Diesen Ruf verdankt er nicht nur seiner traumhaften Lage, sondern seiner hervorragenden Wasserqualität, zu der die Abwasserreinigungsanlagen rund um den See beitragen. Die ARA «Rietwiesen» ist seit 1963 Jahre in Betrieb und bindet über insgesamt 28 Aussenstationen die Gemeinden Altnau, Bottighofen, Langrickenbach, Lengwil, Münsterlingen sowie Teile von Kreuzlingen an.
Durch das Bevölkerungswachstum und strengere Umweltauflagen geriet sie zuletzt an ihre Kapazitätsgrenzen, weshalb der Abwasserzweckverband Münsterlingen 2015 deren Ausbau beschloss. In dessen Rahmen wird nicht nur die komplette Anlage saniert, sondern deren biologische Stufe um zwei Becken erweitert sowie eine neue PV-Anlage und ein zusätzlicher Faulturm errichtet. Nach Beendigung dieser Massnahmen ist sie nicht nur auf dem neuesten Stand der Technik, sondern bietet mit einer Reinigungsleistung von 250 l/s zudem ausreichend Reserven für weiteres Wachstum. Derzeit bereitet die ARA in der Spitze knapp 100 Liter Abwasser in der Sekunde auf.
Datentransfer vom Feld direkt ins Leitsystem
Die Sanierung der Anlage ist in mehrere Lose unterteilt. Eines dieser Lose betrifft den Austausch der Steuerungstechnik, welche die Schnittstelle zwischen Feldebene und dem modernisierten Leitsystem bildet. «Weil der bisherige Hersteller seine Steuerungen nicht mehr weiterentwickelt, waren wir gezwungen, einen Steuerungswechsel vorzunehmen», sagt Projektleiter Mike Muhmenthaler von der Autec Automations-Engineering AG aus Weisslingen.
Strenges Evaluationsverfahren für die Nachfolgesteuerung
Um mit einem modernen zukunftsorientierten System arbeiten zu können, starteten er und Urs Corrodi, Geschäftsführer der Autec AG, ein strenges Evaluationsverfahren für die Nachfolgesteuerung. «Dieses haben wir uns wirklich nicht leichtgemacht und die Lösungen verschiedener Anbieter eingehend miteinander verglichen», erinnert sich Urs Corrodi. So stand am Ende dieses strengen Auswahlverfahrens der PFC200-Controller von Wago.
Ausschlaggebend hierfür war seine Protokollvielfalt — per OPC-UA überträgt er die Signale aus dem Feld direkt ins Leitsystem. «Ausserdem bietet Wago einen sehr guten Support an», führt Urs Corrodi einen weiteren Punkt an, der für einen Entscheid zugunsten des mitteldeutschen Herstellers sprach.
Einfache Datenmigration
Aber nicht nur die «Mehrsprachigkeit» des feldbusunabhängigen PFC200-Controllers überzeugte. Ebenso angetan zeigte sich das Duo von der einfachen Datenmigration. Während diese bei anderen Lösungen teils erhebliche Probleme bereitete, erwies sich diese mit Codesys 2.3 sehr einfach. «Ich habe die Projekte aus der alten Steuerung eins-zu-eins kopiert und musste dem PFC200-Controller nur sagen, dass es sich um dieselben Projekte handelt», beschreibt Mike Muhmenthaler die Vorgehensweise.
Das Leitsystem bindet knapp 3000 Datenpunkte ein, die sich über die ARA und ihre 28 Aussenstationen verteilen. Diese wertet das Leitsystem aus und bereitet diese für verschiedene Zwecke auf – unter anderem auch für die Protokollierung. So muss jede Abwasserreinigungsanlage in der Schweiz ihren tadellosen Betrieb gegenüber dem jeweiligen Kanton beweisen und mit entsprechenden Daten belegen.
VPN-Anbindung der Aussenstationen
Mike Muhmenthaler nutzt den Steuerungswechsel auch dazu, die Daten der Aussenwerke zukünftig via VPN sicher zu erfassen. Bislang geschieht dies teilweise mittels Funk, wobei die 20 davon betroffenen Aussenstationen im Ring der Reihe nach angefragt werden.
Dies birgt mehrere Vorteile gegenüber der bisherigen Lösung. Der Datentransfer ist nicht nur vor unberechtigten Zugriff geschützt, sondern zudem wesentlich stabiler. «Bei der Funklösung können ein Wetterumschwung oder ein Baukran bereits die Datenübertragung stören», sagt Mike Muhmenthaler, während Urs Corrodi ergänzt: «Mit VPN sind wir zukünftig mit allen Stationen gleichzeitig verbunden und können gezielt einzelne Ereignisse beobachten, ohne andernorts etwas Wichtiges zu verpassen.»
ARA «Rietwiesen»
Die ARA «Rietwiesen» des Abwasserzweckverbands Münsterlingen wird durch zwei Abwasserzuleitungen gespeist. Das verunreinigte Wasser gelangt zunächst in die Grobstoffabscheidung, wo ein Rechen alles herauskämt, was nicht hineingehört.
Anschliessend gelangt das Abwasser in den Sand- und Fettfang, in dem sich der Sand auf dem Boden absetzt und mit einer Schneckenspindel aus dem Becken befördert wird, während das aufschwimmende Fett abgeschöpft wird. Von dort aus geht es weiter ins Vorklärbecken, in dem das Wasser beruhigt und der Klärschlamm mit Räumern in einen noch tieferen Bereich geschoben und von dort hinausgepumpt wird.
Danach fliesst das Wasser in die Biologie, wo sich Mikro-Organismen den restlichen Schwebestoffen und Schlamm annehmen. Im folgenden Nachklärbecken setzt sich der Rücklaufschlamm ab und wird nochmals in die Biologie gepumpt, während das saubere Wasser aus der ARA direkt in den Bodensee fliesst.
Der Schlammteil geht indes in den Faulturm, gärt dort und betreibt mit dem entstehenden Gas das angeschlossene Blockheizkraftwerk. Das Faulgas trägt dabei etwa ein Drittel der benötigten Betriebsenergie bei.
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