Additiv denken — Folge #002
«Gehen sie raus aus der Dreh- und Fräsbox!»
Institut
Fachhochschule Nordwestschweiz, Institut für Medizintechnik und Medizininformatik
Kerngeschäft
Medizintechnik, Implantate, Medizinische Additive Fertigung, Ausbildung
USP
Gesamte Prozesskette zur additiven Herstellung von patientenspezifischen Implantaten. Forschung und Entwicklung von additiven Fertigungsprozessen für Implantate und Instrumente.
Antwortgeber
Daniel Seiler, FHNW
Unsere Mitarbeiter und Studierenden haben es! Bei fast unendlicher Gestaltungsfreiheit in der additiven Fertigung denkt man an die Funktionen des Bauteils und nicht mehr so sehr an dessen Herstellung. Gehen sie raus aus der Dreh- und Fräsbox!
Grundsätzlich arbeiten wir beim Design von Implantaten mit voxelbasierten Systemen und nicht mehr mit der gängigen Parametrisierung von «klassischen» Maschinenbau-CAD. Das führt an sich schon zum Umdenken und ermöglicht das Design von bionischen Strukturen, welche sich in der Form und Steifigkeit in den Körper einpassen. Dabei kommt kommerzielle als auch selbst entwickelte Software zur Anwendung. Unser Institut befasst sich schon seit über 15 Jahren mit der additiven Fertigung und kann diese Erfahrung durch Forschungsprojekte in die Industrie und Lehre weitergeben und ausbauen.
Additive Manufacturing an der FHNW. (Videoquelle: Youtube-Kanal der FHNW)
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Für mich ist die Herstellung von patientenspezifischen Implantaten, Instrumenten und Prothesen mit Hilfe der additiven Fertigung faszinierend. Ich habe lange mit Standardimplantaten gearbeitet und habe mich dabei immer weiter vom Patienten entfernt. Mit der additiven Herstellung ist es nun möglich auf Basis von CT/MRI-Daten passgenaue Implantate herzustellen. Jeder Fall ist anders und als Entwickler dieser Implantate darf man sich voll und ganz um individuelle Patienten kümmern. Durch intensiven Austausch mit der Klinik und den Patienten werden die Lösungen immer besser.
In der Forschung arbeiten wir momentan mit neuen Materialien und Prozessen. Bei Nickel-Titanlegierungen können die Materialeigenschaften im selektiven Laserschmelzen durch die Scanstrategie gesteuert und dementsprechend sogar innerhalb des Bauteils geändert werden. Dieses «4D-Drucken» ist nur mit additiver Fertigung möglich. Und wir haben auch gezeigt, dass man resorbierbare Magnesiumimplantate 3D-drucken kann. Dabei kann durch die Scanstrategie die Degradationsrate im Körper gesteuert werden.
Im Bereich des Binder-Jetting entwickeln wir innovative Lösungen für nicht ausstreichfähige Biokeramiken in Kombination mit eigens entwickelten Tinten für Knochenersatzmaterialien.
Wenn sie 3D-Druck als additive Fertigung und nicht mehr als Rapid Prototyping einsetzen wollen, müssen sie die ganze Wertschöpfungskette miteinbeziehen. Zum Beispiel führt die kürzere Operationszeit durch den Einsatz von patientenspezifischen Implantaten und Instrumenten neben dem medizinischen Nutzen auch zu Kostenvorteilen. Das direkte Einbringen von porösen Oberflächenstrukturen während des additiven Fertigungsprozesses macht eine zusätzliche Nachbearbeitung durch Plasmaspray zur Unterstützung des Knocheneinwachsens überflüssig.
Autor: Technik und Wissen
Bildquelle: FHNW
Diese Rubrik entsteht
in Zusammenarbeit mit
FHNW
www.fhnw.ch
Institut für Medizintechnik und Medizininformatik
AM Expo
3./4. März 2020
visit.am-expo.ch
In Folge 001 der Rubrik zeigte Ralf Schindel, CEO Prodartis, seine Vision und Gedanken zum Thema «additiv denken».
Veröffentlicht am: