Die Industrie sieht sich mit einer Reihe von spannenden, aber auch anspruchsvollen Themen konfrontiert, darunter der EU Data Act und Manufacturing-X. Michael Finkler (Bild), Geschäftsführer Business Development der proAlpha Group, gibt einen Ausblick auf die kommenden Entwicklungen.


Text: Eugen Albisser, Chefredaktor Digital «Technik und Wissen»
Fotos: Thomas Entzeroth, SMM*


Nachhaltigkeit, European Data Act, Gaia-, Catena-, Manufacturing-X, Künstliche Intelligenz: Wer all diese aktuellen Entwicklungen auf politischer und Verbandsebene verfolgen möchte, die für die Industrie relevant sind, wird tagelang beschäftigt sein.

Und er wird sich irgendwann die Frage stellen: Was haben wir eigentlich in den letzten zehn Jahre gemacht? Haben wir nicht wie die Weltmeister digitalisiert? Warum gibt es noch so viele offene und vor allem grosse, herausfordernde Themen?

Michael Finkler, Geschäftsführer Business Development der proAlpha Group, betrachtet die bisherigen Anstrengungen mit nüchterner Skepsis. Man habe sich in den vergangenen Jahren zu sehr auf Industrie 4.0 und damit die Produktion konzentriert, aber eigentlich wenig erreicht: «Im Nachhinein kann man sagen: Wir haben zehn Jahre verloren. Industrie 4.0 war eine grosse Marketingkampagne, aber unter dem Strich ist wenig herausgekommen.»

«Im Nachhinein kann man sagen: Wir haben zehn Jahre verloren. Industrie 4.0 war eine grosse Marketingkampagne, aber unter dem Strich ist wenig herausgekommen.»

Die Industrie sieht sich mit einer Reihe von spannenden, aber auch anspruchsvollen Themen konfrontiert, darunter der EU Data Act und Manufacturing-X. Michael Finkler (Bild), Geschäftsführer Business Development der proAlpha Group, gibt einen Ausblick auf die kommenden Entwicklungen.


Text: Eugen Albisser, Chefredaktor Digital «Technik und Wissen»
Fotos: Thomas Entzeroth, SMM*


Nachhaltigkeit, European Data Act, Gaia-, Catena-, Manufacturing-X, Künstliche Intelligenz: Wer all diese aktuellen Entwicklungen auf politischer und Verbandsebene verfolgen möchte, die für die Industrie relevant sind, wird tagelang beschäftigt sein.

Und er wird sich irgendwann die Frage stellen: Was haben wir eigentlich in den letzten zehn Jahre gemacht? Haben wir nicht wie die Weltmeister digitalisiert? Warum gibt es noch so viele offene und vor allem grosse, herausfordernde Themen?

Michael Finkler, Geschäftsführer Business Development der proAlpha Group, betrachtet die bisherigen Anstrengungen mit nüchterner Skepsis. Man habe sich in den vergangenen Jahren zu sehr auf Industrie 4.0 und damit die Produktion konzentriert, aber eigentlich wenig erreicht: «Im Nachhinein kann man sagen: Wir haben zehn Jahre verloren. Industrie 4.0 war eine grosse Marketingkampagne, aber unter dem Strich ist wenig herausgekommen.»

«Im Nachhinein kann man sagen: Wir haben zehn Jahre verloren. Industrie 4.0 war eine grosse Marketingkampagne, aber unter dem Strich ist wenig herausgekommen.»

Zur Person Michael Finkler

Michael Finkler verantwortet als Geschäftsführer das Business Development der proAlpha Gruppe, die aktuell 2'200 Mitarbeiter weltweit beschäftigt. In seinen Zuständigkeitsbereich fallen zudem die Kooperationen mit den führenden Forschungsinstitutionen und Verbänden. So treibt er etwa in seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender des grössten VDMA Fachverbandes «Software und Digitalisierung» Themen wie Manufacturing- und Factory-X massgeblich voran. Als Mitgründer und Vorstandsvorsitzender hat er seit 1994 die ALPHA Business Solutions AG aufgebaut und 2015 den Zusammenschluss mit der proAlpha Gruppe verantwortlich geleitet.

Europäische Wettbewerbsfähigkeit verbessern

Michael Finkler bringt die bisherigen Versäumnisse bei der Digitalisierung in einem prägnanten Satz auf den Punkt: «Ohne eine gemeinsame Datenökonomie werden Digitalisierungsprojekte an der Oberfläche kratzen und nicht viel weiter als bis zum eigenen Werkstor führen.»

Diese Herausforderung will man jetzt entschlossen angehen. Bereits am 11. Januar trat der EU Data Act in Kraft, der wesentliche Änderungen beim Generieren und Arbeiten mit Daten herbeiführen soll. Dieser Act ist die rechtliche Grundlage für den Datenaustausch, die das Europäische Parlament verabschiedet hat.

Dessen Ziel ist es, die Wettbewerbsfähigkeit in Europa durch das Teilen von Daten zu verbessern und eine weltweit führende Datenökonomie zu entwickeln.

«Rund 80 Prozent der industriellen Daten werden bisher nicht genutzt, was in etwa einem Volumen von 270 Mrd. Euro an zusätzlicher Wertschöpfung bis 2028 entspricht. Diese zusätzliche Wertschöpfung gilt es zu erschliessen, indem wir Daten teilen und digitale Mehrwerte generieren», erklärt Michael Finkler.

Das Gesetz wird ab 2026 für alle verbindlich. «Jeder Hersteller von Maschinen, aber auch von B2C-Geräten wie Fitness-Trackern, muss ab diesem Zeitpunkt den Nutzern alle Daten, die bei der Nutzung anfallen, in lesbarer Form und in Echtzeit zur Verfügung stellen», erklärt Michael Finkler.

Das ist natürlich eine grosse Herausforderung für die Maschinenbauer, denn in den Daten dürften auch wettbewerbsrelevante Informationen vorhanden sein. Zudem kann der Nutzer der Maschine diese Daten auch verkaufen oder weitergeben. Michael Finkler: «Aber man muss betonen, dass das Ganze durch ein umfangreiches Regelwerk abgesichert ist –, wobei ganz oben der faire und sichere Zugang zu Daten steht.»

Jeder Hersteller von Maschinen, aber auch von B2C-Geräten wie Fitness-Trackern, muss ab diesem Zeitpunkt den Nutzern alle Daten, die bei der Nutzung anfallen, in lesbarer Form und in Echtzeit zur Verfügung stellen.

Firmen resilienter und nachhaltiger machen

Doch der EU Data Act steht nicht für sich allein. Er ebnet den Weg für diverse X-Initiativen wie Manufacturing-X, Catena-X, Gaia-X oder Factory-X. In diesen Leuchtturmprojekten sind viele Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Verbände dabei und arbeiten intensiv zusammen, um jeweils eine Basisinfrastruktur und zusätzliche standardisierte Lösungen aufzubauen.

Die Automobilindustrie ist mit Catena-X schon sehr weit. Dort gibt es föderative Datenräume, über die künftig Daten nach festen Regeln und Prozeduren ausgetauscht werden. Jeder Nutzer, der seine Maschine betreibt, kann die Daten aus der Nutzung zur Verfügung stellen und seinen Dienstleistern sagen: Macht das Beste daraus oder verkauft es auf einem Datenmarktplatz.

«Das ist die Zukunft, und die grossen Unternehmen haben dies bereits erkannt», sagt Michael Finkler und fasst zusammen: «Mit Manufacturing-X sollen Industrieunternehmen flächendeckend in die Lage versetzt werden, Wertschöpfung mit Daten zu betreiben, resilienter und nachhaltiger zu werden. Damit wächst die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft, entsteht zusätzliche Wertschöpfung aus Daten und es bildet sich eine Infrastruktur für nachhaltige Produktion: Ohne einen unternehmensübergreifenden föderativen Datenraum rücken beispielsweise eine produktspezifische CO₂-Datenermittlung und die nächsten Schritte hin zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft in weite Ferne.»

«Wir haben die einmalige Chance, Europa zur führenden digitalen Wirtschaftsmacht zu entwickeln und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit sowie die Resilienz der Unternehmen deutlich zu erhöhen. Dies war von Anfang die erklärte Zielsetzung der Europäischen Union bei der Vorbereitung des EU Data Acts.»

Mittelständler halten sich noch zurück

Trotz grosser Anstrengungen und intensiver Beschäftigung vieler Firmen mit dem Thema gibt es derzeit noch einen Wermutstropfen: Bei den X-Initiativen sind nur wenige mittelständische Unternehmen vertreten. «Das ist nicht gut. Denn wenn wir solche Initiativen schnell umsetzen wollen, müssen alle mitspielen. Wir müssen in der Lage sein, diesen guten und durchaus revolutionären Ansatz schnell umzusetzen, zu skalieren und in die Wirtschaft zu bringen», meint Michael Finkler.

Ein Hemmschuh könnte sein, dass gerade mittelständische Unternehmen weniger personelle Ressourcen haben oder dem Datenaustausch skeptischer gegenüberstehen.

Denn eines ist klar: Der EU Data Act zwingt den Maschinen- und Anlagenbau zum Umdenken. «Dieser greift tief in das aktuelle Verständnis der Hersteller von Maschinen und Anlagen ein, wie mit den erfassten Maschinendaten umgegangen werden soll», schreibt etwa der VDMA in einer Studie. Schliesslich enthalte der Data Act «neue und verpflichtende Vorgaben zur technischen Gestaltung von Maschinen und Anlagen und verschafft deren Nutzern ein Zugriffsrecht auf Maschinendaten», heisst es darin weiter. Zugleich bietet er aber die Chance, «einen Maschinen- und Anlagenbauer zu einem herstellerunabhängigen und sektorübergreifend tätigen Serviceanbieter zu entwickeln, um Herausforderungen wie dem Fachkräftemangel zu begegnen, Erlösquellen zu diversifizieren und Kundennähe aufzubauen.»

Alle Unternehmen sollten also schlussendlich von den Daten profitieren. Ausserdem haben Firmen trotz allem noch gewisse Freiheiten und Sicherheiten: «Föderative Datenräume bedeuten nicht, dass alle Daten gesammelt werden, sondern dass Daten referenziert werden. Es gibt strenge regulatorische Vorgaben, und die Nutzer können entscheiden, welche Daten für einen bestimmten Zeitraum verfügbar sind und wer darauf zugreifen darf. Diese Vertrauensräume sind gesetzlich geregelt und bieten mehr Chancen als Risiken», erklärt Michael Finkler und fügt hinzu: «Wir haben die einmalige Chance, Europa zur führenden digitalen Wirtschaftsmacht zu entwickeln und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit sowie die Resilienz der Unternehmen deutlich zu erhöhen. Dies war von Anfang die erklärte Zielsetzung der Europäischen Union bei der Vorbereitung des EU Data Acts.»


* Dieser Artikel entstand auf der Grundlage eines Vortrags von Michael Finkler im Rahmen des *SMM Kongresses 2024 in Luzern und einer Reihe von Artikeln, die er zu diesem Thema verfasst und der Redaktion zur Verfügung gestellt hat.


Literaturhinweise


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